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Theorie der Zeichnung

Die Zeichnung betont die Linienführung und Umrisse eines dargestellten Gegenstandes. Dabei ist die Linie als künstlerisches Mittel selbst abstrakt. Insofern die Zeichnung Gegenstände naturalistisch, d. h. „nach der Natur“ darstellt, reduziert der Zeichner die Natur auf das für das Auge Wesentliche der Wahrnehmung. Abstraktion und Reduktion von visuellen Information auf die bloße Kontur ist eine bedeutende intellektuelle Leistung. Deshalb gilt die Schule der Zeichnung gemeinhin auch als Grundschule des aufmerksamen und genauen Sehens.

Dennoch ist der eigenständige Wert einer Zeichnung erst seit dem 15. Jahrhundert allmählich erkannt worden. Zwar galt bereits in der mittelalterlichen Kunstlehre die Zeichnung als eine Grundlage der Kunst, aber sie war nur Mittel der Einübung und des Erlernens, kein autonomes Kunstwerk. Unklar war in der theoretischen Bewertung der Zeichnung im Verhältnis zur Malerei, was grundlegendere Bedeutung hat: die Entwicklung des Bildes aus der Linie oder aus der Farbe. Überlieferte Zeichnungen aus dieser Zeit sind Skizzen, Entwürfe, Studien und Vorstudien zur Malerei. Dass überhaupt Zeichnungen überliefert sind, ist dem Umstand zu verdanken, dass diese Zeichnungen als Geschenkblätter sehr beliebt waren, insbesondere wenn sie von berühmten Malern stammten oder Vorstudien berühmter Werke waren. An der grundlegenden Wertung hielt man allerdings fest: Die theoretische Betrachtung ging von einem Zwei-Stufen-Modell aus, nämlich der Idee für ein Bild, wie sie sich in einer skizzierten Zeichnung niederschlägt und der Ausführung der Idee als der eigentlichen künstlerischen Leistung. Bedeutende Zeichner wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer haben in der Zeichnung in erster Linie eine Möglichkeit gesehen, sich ein Sujet systematisch zu erarbeiten, mit dem Ziel, diese Studien für die zweite Stufe, die Ausarbeitung etwa in einem Gemälde, zu verwenden. Als Zwischenschritt von der Idee zur Ausführung galt das Aquarell, das in der Kunsttheorie lange Zeit der Zeichnung selbst zu- und untergeordnet wurde, und zwar als nachträglich kolorierte Zeichnung.

Die Aufwertung der Zeichnung in der Kunsttheorie setzt mit Federico Zuccaris Überlegungen zum Verhältnis von Idee (concetto) und Zeichnung (designo) (1607) ein. Im Streit zwischen dem Primat der Linie und dem Primat der Farbe stellt er sich auf die Seite der Zeichner. Zuccari vergleicht die Zeichnung mit dem göttlichen Schöpfungsakt. Am Anfang der Schöpfung steht die Idee als einer Art innerer Zeichnung (concetto; Konzept). Dieser geistige Akt äußert sich in der Zeichnung (disegno), die in ihrer Urprünglichkeit mit der Idee eins ist. Sie ist die notwendige äußere Gestalt der Idee. Die weitere künstlerische Ausgestaltung ist dann nur noch Zugabe und Vollendung. Zuccari nimmt mit seinen Äußerungen Stellung zu einem zunächst in der akademischen Kunst Italiens geführten Streit, der aber schon bald in ganz Europa geführt wird. Neben Italien ist ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung Frankreich, wo sich für das Primat der Linie die sogenannten Poussinisten einsetzen, für das Primat der Farbe die Rubenisten.

Der akademische Diskurs mündet in eine allgemeine Anerkennung des Primats der Linie, mit der Folge, dass in der Zeichenlehre die Zeichnung zur Grundtechnik erklärt wird. Allerdings gibt es eine Tendenz, die Zeichnung auf Zeichentechnik zu verkürzen und ihr verstärkt wieder den Charakter der vorbereitenden Studie und Übung zuzuschreiben. Zugleich wird die Zeichnung aber auch zunehmend als eigenständiger künstlerischer Ausdruck anerkannt. Eine breite Sammlerbewegung tut ihr übriges, um die Zeichnung neben den akademischen Auseinandersetzungen auf dem sich entwickelnden Kunstmarkt zu etablieren. Es sind vor allen Liebhaber und Kenner, die im 18. Jahrhundert dem Eigenwert der linearen Darstellung zum Durchbruch verhelfen. Insbesondere Pierre-Jean Mariette betont in seinen Publikationen den besonderen Wert des Schwarzweiß-Kontrastes ohne Kolorierung. Mariettes Auffassung, der Strich lasse die Sache erkennen und arbeite damit das Wesentliche einer bildlichen Darstellung heraus, setzt sich allgemein durch und wird wegbereitend für die Aufwertung der Zeichnung als eigenständige Kunstgattung im 20. Jahrhundert.

Unterstützt wird dieser Prozess im 19. Jahrhundert durch die romantische Entdeckung des ästhetischen Reizes des Fragments. Das Fragment als das Abgebrochene und Unvollendete wird gerade in der Zeichnung entdeckt. Es birgt die genialische Ursprungsidee, die gerade deshalb fasziniert, weil sie unausgeführt bleibt. Statt dessen wird in der Zeichnung die Handschrift des Zeichners sichtbar: Man sieht ihm gewissermaßen bei der Arbeit zu. Bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel wird deshalb die Zeichnung als eine der höchsten Künste angesehen.

Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts bleibt es bei der theoretischen Unterscheidung von Zeichnung und Malerei. In der akademischen Bewertung behält die Zeichnung zudem ihren untergeordneten Rang. Die künstlerische Praxis beginnt sich aber zunehmend von den normativen Ansprüchen der akademischen Ästhetik zu lösen. Künstler wie Paul Cézanne beginnen damit, das Prinzip der Linie für die Zeichnung anzuzweifeln und entwickeln Zeichnungen aus farblichen Eindrücken heraus. Die alte Diskussion zwischen „Zeichnern“ und „Malern“, die nach dem Primat von Linie oder Farbe für die Malerei gefragt hatten, betrifft nun die Zeichnung selbst. Sie ist nicht mehr festgelegt auf lineare Darstellung und reduzierten Farbeinsatz. Die verschiedenen Kunstbewegungen am Anfang des 20. Jahrhundert nehmen diesen Ansatz auf, so dass die theoretische Grenze zwischen Malerei und Zeichnung zunehmend verwischt. In der gegenwärtigen ästhetischen Theorie wird das Fehlen einer Theorie der Zeichnung beklagt.

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