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Interpretation

Einführung

"Es begegnete und geschieht mir noch, daß ein Werk bildender Kunst mir beim ersten Anblick mißfällt, weil ich ihm nicht gewachsen bin; ahn' ich aber ein Verdienst daran, so such' ich ihm beizukommen, und dann fehlt es nicht an den erfreulichsten Entdeckungen: an den Dingen werd' ich neue Eigenschaften und an mir neue Fähigkeiten gewahr." (Goethe)

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Die Interpretation (lat. interpretatio »Erklärung, Deutung«) von Kunstwerken ist ein Vorgang ihrer Ausdeutung, der mehrere Schritte einschließt: eine intensive Beschreibung und Analyse als Teil und Instrument zu ihrem Verstehen, die historische Erklärung ihrer Genesis und (kunst)geschichtlichen Zusammenhänge, das Verstehen und Interpretieren des geschichtlichen Sinns der Kunstwerke.

In einer umfassenden Interpretation gehören grundsätzlich alle Stufen zusammen, d.h. sie folgt bestimmten Regeln und ihre Schritte und Resultate müssen kontrollierbar sein. Jeder »Schritt« setzt den vorangehenden voraus bzw. wirkt auf diesen bereits ein. Ihr Ziel ist die vertiefte Erfassung und Mitteilung des künstler./kunsthist. Tatbestandes als gestalterische Konzeption, in der sich individuelle und allg. Inhalte und Interessen ausdrücken.

Interpretation ist hinsichtlich ihres Gegenstandes und ihrer Verfahren durch die Erkenntnisinteressen des Interpretierens bestimmt (Der »Auslegende« ist in die »Auslegung« eingegangen), insofern selbst wieder historisch und historisierbar. In diesem Sinn ist Interpretation Teil der gesellschaftlichen Kommunikation über und mit Kunst, wobei kunstgeschichtl. Interpretation, bei fließenden Grenzen, nicht identisch ist mit anderen Aneignungs- und Vermittlungsweisen von Kunst (Kunstkritik; belletrist. Aneignung; aktiv nachvollziehende Aneignung).

Interpretationen als aktive Wechselbeziehung zwischen Kunstwerk und Interpret können je nach Art des Werks und Interesse des Deutenden unterschiedl. Momente des künstler. Sachverhaltes (auch des Kunstprozesses) hervorheben, ihn auf neue Weise deuten, wenn das Werk unter wesentlich veränderten hist., ideolog. und mentalen Aspekten untersucht und verstanden wird. Die Interpretation wird auch durch ihre konkreten Zwecke strukturiert: ob sie vorrangig bestimmten wissenschaftl. Untersuchungen gilt (Rekonstruktion kunsthist. Sachverhalte), der Steigerung des Erlebens von Kunstwerken (einschließlich der ästhet. und kunsthist. Bildung des Betrachters), der Aneignung künstler.-prakt. Erfahrungen (Anregungen für Künstler, kunstschaffende Laien, schul. Kunsterziehung).

Die Interpretation wird mitbestimmt auch von der Art der Werke (bei Landschaftsgestaltung, Architektur, angew. Künsten einschließlich Industrieformgebung sind Funktionstüchtigkeit, techn. Qualität, Ökonomie usw. in die Interpretation voll einzubeziehen) sowie vom Adressaten der Interpretation (Wissenschaftler, Künstler, Laie, Kind). Interpretationen haben daher stets den Charakter von Näherungswerten. Das gilt bes., wenn die Interpretation zu einer durch das Werk inspirierten neuen künstler. Eigenleistung (in gleichen oder anderen Kunstgattungen) wird.

Eine dem spezif. Charakter der Kunst gemäße Interpretation setzt die emotionale, sinnl. Aufnahme des Werks entsprechend seiner Kunstgattung voraus. Bei optisch wirkenden Künsten gehört zu dieser emotionalen Aufnahme vordringlich die optischsinnl. Erfassung der Form, in der das Inhaltliche Gestalt gewonnen hat. Dadurch wird ein diesen Kunstgattungen adäquates Erlebnis zur Quelle der Interpretation, setzt bereits im Anschauen des künstler. Tatbestandes dessen Deutung ein. Sie ist durch ständiges Mitwirken rationaler Kriterien zu kontrollieren und zu konkretisieren. Interpretationen der lediglich den Gegenständen und Handlungen zu entnehmenden Inhaltsmomente sind möglich und oft üblich (in der Geschichtswissenschaft, Volkskunde usw.), begreifen das Werk jedoch nur als sachl. Quellenmaterial (hist. Bildkunde, Ikonographie), nicht aber in seiner Besonderheit als künstler.-schöpfer. Leistung.

Die Interpretation beginnt bei dem ersten Kontakt mit dem Kunstwerk; sie wird vertieft und objektiviert, wenn der Interpret über entwickelte ästhet. Erfahrung, hist. usw. Kenntnisse verfügt und die durch die Kunstwissenschaft erarbeiteten Interpretationsmethoden anwendet.

Produktive Interpretationen werden in der Regel mit einer Beschreibung des Werkes als prinzipiell kulturell-symbolisch zu begreifendes Gebilde beginnen, seiner Formstruktur, seiner Thematik, müssen gegebenenfalls Allegorien und Symbole aufschlüsseln, den zykl., lokalen, funktionalen usw. Zusammenhang berücksichtigen, in dem das Werk seinen Platz hat (hatte). Das Kunstwerk ist daher Primärquelle, d.h. Denkmal, das es mit anderen Quellen (z.B. Sekundärquellen) in Beziehung zu setzen gilt. Interpretationen werden erw. durch Einordnen des Werkes in hist. bzw. kunsthist. Komplexe und durch Berücksichtigung seiner Stellung im Œuvre des Künstlers. Interpretationen sollten zudem die Mittel der künstler. Verwirklichung und auch den Grad ihrer Beherrschung aufdecken, mit denen das Werk geschaffen worden ist. Zu bevorzugen sind Interpretationen angesichts des interpretierten Werks (ersatzweise Reproduktionen u.ä.).

Bei Werken der Landschaftsgestaltung und der Architektur ist ein Abschreiten unter Heranziehung von Plänen ratsam, damit nicht nur gegenständl. Befunde interpretiert werden, sondern auch die für diese Künste so wichtigen Maße und Beziehungen von Räumen. Bei allen optisch und räumlich wirkenden Kunstgattungen können Erfassung und Interpretation. wesentlich gesteigert werden, wenn man den Hauptfakten des Befundes auch zeichnerisch nachtastet (Skizzen der Komposition einschließlich Farb- und Lichtführung, der Raumproportionen, charakterist. Details usw.).

Einer umfassenden Interpretation nähert man sich also, wenn im obengen. Zusammenwirken emotionaler und rationaler Komponenten das Werk etwa nach folgender Faustregel (ohne zwingende Reihenfolge) befragt wird: Was, wie (thematisch, formal, technisch), wo bzw. in welchem zykl. usw. Zusammenhang, wann, durch wen (Künstler), warum, wozu, in wessen Auftrag und Interesse (gesellschatlich und individuell), von wem wie aufgenommen (Rezeption) bzw. beeinflußt (Kunstsoziologie), mit welcher Qualität bewältigt (bei Landschaftsgestaltung, Architektur und angew. Künsten auch in prakt.-nützl., ökonom., techn. Hinsicht), unter welchen hist. bzw. kunsthist. Verhältnissen geschaffen, zu welchen kunsthist. Komplexen gehörend? Eine spezif. Dimension der Interpretation bildet die Wirkungsgeschichte sowohl hinsichtlich anderer Kunst als auch der wissenschaftl. Interpretationen, deren krit. Reflexion stets angebracht ist.

nach: [Lexikon der Kunst: Interpretation. Lexikon der Kunst, S. 13969
(vgl. LdK Bd. 3, S. 448 ff.) (c) E. A. Seemann]

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