Farbe
"Farbe ist nichts Beständiges und nichts objektiv Faßbares. Denn prinzipiell ist Farbe nichts anderes als eine Empfindung im Sinnesorgan des Betrachters. Damit nicht genug: Die Objektfarben bzw. Materialfarben, die man in der Fachsprache Körperfarben nennt, sind ständigen Veränderungen unterworfen. Sie ändern sich in ihrem Aussehen in Abhängigkeit vom vorhandenen Licht und in Abhängigkeit von der jeweiligen Betrachtungssituation. Denn das Sehorgan besitzt eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit an veränderte Beleuchtungs- und Betrachtungsumstände."
(Harald Küppers: Das Grundgesetz der Farbenlehre, Köln 1978)
Braucht ein Künstler, ein gestaltender Mensch überhaupt theoretische Kenntnisse der Zusammenhänge? Oder kann er rein aus dem Gefühl, der Intuition heraus die richtigen kreativen Entscheidungen treffen? Leonardo da Vinci, der uomo universale der Renaissance, hat sich in deinem "Buch von der Malerei" ganz gleichnishaft und entschieden geäußert: "Diejenigen, welche sich in Praxis ohne Wissenschaft verlieren, sind wie Schiffer, die ohne Steuerruder und ohne Kompass zu Schiffe gehen, sie sind nie sicher, wohin sie gehen. Die Praxis soll stets auf guter Theorie aufgebaut sein."
Und selbst ein so rauschhaft und besessen zu Werke gehender Künstler wie Vincent van Gogh hat sich in ungezählten schriftlichen Niederlegungen mit der Farbe beschäftigt. "Es ist im Malen etwas Unendliches. In den Farben sind verborgene Dinge von Harmonie oder Kontrast, Dinge, die durch sich selber wirken, und die man durch kein anderes Medium ausdrücken kann." (V. van Gogh, 1882). Und wenige Jahre später schrieb er an seinen Bruder Theo: "Es ist sicher, man kann durch das Studium der Farbgesetze, über den instinktiven Glauben an die großen Meister hinaus, dahin kommen, dass man sich Rechenschaft zu geben vermag, warum man etwas schön findet, und das ist heutzutagewohl nötig, wenn man bedenkt, wie entsetzlich willkürlich und oberflächlich geurteilt wird." (1885). Wer will ihm darin widersprechen?