Begriff
Kindlers Malereilexikon
Perspektive
(lat. perspicere, durchschauen)
Die Übertragung des körperlich-räumlich Geschauten auf die Fläche des Bildes (oder Reliefs) ist eines der Hauptprobleme, mit denen sich die bildkünstlerische Darstellung auseinanderzusetzen hatte. In der griechischen Vasenmalerei der Spätarchaik, also in der Zeit der Umstellung vom silhouettenhaften schwarzfigurigen zum körperlich freier bewegten rotfigurigen Stil, werden die ersten Versuche der Körperperspektive sichtbar (Euphronios, Euthymides), d. h. Verkürzungen durch Schrägansichten werden versucht, die Figur tritt aus dem reinen Flächenstil heraus. In Griechenlands verlorengegangener großer Malerei werden die Probleme des Raums praktisch wie theoretisch in Angriff genommen; in den sogenannten Skenographien (gr. Bühnenbilder), jenen Prospekten und Hintergründen für Theaterszenen, wurden landschaftliche und architektonische Räume wiedergegeben. Agathos von Samos erkannte im 5. Jh. v. Chr. eine Art perspektivischer Verkürzung für die räumliche Verkürzung, jedoch wurden Gesetz und Konstruktion einer Zentralperspektive noch nicht gefunden. Perspektivische Illusion und räumliches Hintereinander wurden vom Detail her von Fall zu Fall angedeutet, die freie schweifende Art der Dekoration und poetischen Landschaftsschilderung wich dabei einer zusammenfassenden Darstellung aller Bildelemente von einem einzigen Stand- und Gesichtspunkt aus. Da der Mensch auch im künstlerischen Denken der Antike das Maß aller Dinge bildete, wurde der ihn umgebende Raum nur als Kulisse angesehen.
Auch für das frühe christliche Mittelalter hatte der Raum und somit die Perspektive keinerlei Bedeutung, weil dieses Zeitalter (bis auf antik-hellenistische Überreste in der Buchmalerei) kein illusionistisches Bild, sondern nur Darstellung, das bedeutete aber: Sichtbarmachen heiliger Gestalten als Teil und Wirklichkeit der architektonischen Fläche kannte.
Erst in dem Augenblick, da diese Wirklichkeit zum »Als ob« wird, da das Sein abgelöst zu werden beginnt durch den Schein, relativiert sich das Verhältnis zum »Bild«, das nun kein Gegenüber mehr ist, nach eigenen Gesetzen und Maßstäben, sondern in Beziehung zum Betrachter tritt. Mit der Anerkennung des Betrachters wird dieser zum Bezugspunkt für die Darstellung, die eine ganz neue Dimension erhält. Das Schwergewicht im Verhältnis von »Bild« und Mensch verlagert sich zum Menschen hin, von dem jetzt das Bild (das ehemals die Erscheinung des Heiligen war) seine Instruktionen und seine Inszenierung empfängt. Diese mise en scène bedient sich perspektivischer Mittel, denn Bild heißt nun nicht mehr reine Transzendenz, sondern ist nur noch dessen Widerschein, ist Erinnerung, Mahnung, Symbol im Spiegelbild »Welt«, umgeben von der Kulisse »Natur«.
Der Wandel der Bedeutung des Bildes und seiner Aussage ist so komplex, daß die Perspektive darin nur einen Teilaspekt darstellt. Der Einschnitt der Erneuerung des Bildes, dieses Erwachen der Malerei zu einer eigenen, zu ihrer eigentlichen Aussage, ist von der Kunstgeschichte schon frühzeitig erkannt worden. Zwischen Cavalini und Giotto, d. h. also erst mit dem Aufgeben der maniera greca, wie Vasari formuliert hat, beginnt die Geschichte des europäischen Bildes und der Perspektive als raumerobernder Kraft, die auf geradezu kopernikanische Weise die Welt mit ihren Erscheinungen und Weiten für wenigstens sechshundert Jahre der Malerei als Thema erschließt, und die erst mit dem späten 19., vor. allem mit dem 20. Jh., das ein neues aperspektivisches Zeitalter ankündigt, sich aufgebraucht zu haben scheint.
In den Raumkastenbühnen auf den Fresken Giottos herrschen noch verschiedene Verkürzungsaspekte nebeneinander, wodurch die Raumkompartimente noch eindringlicher kristallhaft aneinandergerückt erscheinen. Dazu wird für die Figuren die Bedeutungsperspektive in gemäßigter Form noch anerkannt.
Erst die Renaissance bringt im Quattrocento die konstruierte, wissenschaftliche Zentralperspektive, bei der sich alle in die Tiefe laufenden Linien auf einen Fluchtpunkt beziehen, der den Gegenstandpunkt zum Betrachter darstellt. In der Faszination über die Möglichkeiten, die die wissenschaftlich-konstruktive Erfassung des Tiefraums bietet, werden Gemälde häufig zu kunstvollen Perspektivexempeln (Crivelli), deren schematisch durchgeführten Verkürzungen Verzerrungen ins Bild bringen, weil das natürliche bifokale Sehen nicht berücksichtigt ist.
Die perspektivische Konstruktion wird auf florentiner Boden wohl von Brunelleschi entdeckt und entwickelt, während der Norden das Raumproblem weniger prinzipiell anfaßt, aber wie Jan van Eyck (und nach ihm die niederländische Malerei bis Pieter de Hooch und Vermeer van Delft) eine außerordentliche Meisterschaft in der Darstellung hintereinandergeschalteter Raumteile entfaltet. Ihr bedeutenderer Beitrag zur Erfassung des Raums im Gemälde liegt auf dem Gebiet der Farben- und Luftperspektive, mit deren Hilfe die linear bestimmte Räumlichkeit Atmosphäre erhält.
Die Renaissance erfand zur praktischen Nutzanwendung der als »richtig« erkannten Perspektive Hilfsgeräte wie den Netzrahmen und den Glastafelapparat. Mit dem Manierismus werden jedoch die perspektivischen Effekte so forciert, daß überschnelle teleartige Verkürzungen und damit eine Verunsicherung des Betrachterstandpunkts (der mit der Renaissance gerade gewonnen war) die Folge sind (Tintoretto). Das Barock, in dem die Luftperspektive das Gerüst der Linearperspektive endgültig umhüllt und aufgesogen hat, geht auch mit den grammatikalischen Regeln der Verkürzung freier um, erst um die Wende des 18. Jh.s wird mit der Camera obscura ein neues Gerät erfunden, das die Konstruktion der Perspektive ersetzt, jedoch, vor allem im Architekturbild (Bellotto, Canaletto), den Schematismus der mechanisch abgelesenen und angewendeten Perspektive sichtbar werden läßt. Damit tritt, nach dem perspektivisch nicht mehr streng durchkomponierten barocken Tiefraum (Philips Koninck, Amsterdam 1619-1688, Fr. Guardi, im Bilde wieder die Meßbarkeit der Raumtiefe in Kraft, die in Landschaft und Raum des Klassizismus, aber selbst in vielen landschaftlichen »Andachts«-Bildern C. D. Friedrichs als immanente Geometrie spürbar wird.
Mit der großen späten Landschaftskunst des Impressionismus beginnt die Krise und der Verfall der Perspektive, der im Laufe der folgenden Jahrzehnte zugleich immer mehr auch das Anwendungsterrain, die Landschaft, entzogen wird.
W. Rüdiger
[Sachwörterbuch der Weltmalerei: Perspektive, S. 1 ff.Digitale Bibliothek Band 22: Kindlers Malerei-Lexikon, S. 12055 (vgl. KML Bd. 6, S. 501 ff.)]
Lexikon der Kunst
Perspektive
(lat. perspicere »hindurchsehen«, neulat. perspectus »deutlich gesehen«, »klar«), die Abb. eines Raumes oder räuml. Objekts auf ebener Fläche; allgemeiner umfaßt sie die Gesamtheit der Gesetze, welche die bildmäßige Wiedergabe einer räuml. Situation auf einer Ebene zum Inhalt haben.
Der Begriff »perspectiva« taucht im klass. Latein noch nicht auf, erstmalig um 500 u.Z. bei dem Philosophen Boëthius als Terminus der Meßkunde, dann systematisch entwickelt (auch unter theolog. Aspekt) auch mit Blick auf die bild. Kunst, die sich für ihre Ziele den Regeln der Optik bedienen soll, im »Opus majus« des franziskan. Gelehrten Roger Bacon (ca. 1220-92). Als Teil der Naturphilosophie erscheint sie auch bei dominikan. Autoren (Albertus Magnus u.a.). Durchgängig wird der Begriff seit dem 15. Jh. gebraucht. Ihm liegen oft optisch-physiolog. Gesetzmäßigkeiten zugrunde, die beim Erfassen der Wirklichkeit durch unser Auge eine Rolle spielen. Das durch die Anwendung der P. konstruierte Abbild ermöglicht dem Betrachter ein Erkennen tatsächl. Zusammenhänge.
Die P. ist im engeren Sinne als Zentralprojektion ( Projektion) ein Teilgebiet der darstellenden Geometrie; hier werden die wichtigsten perspektiv. Erscheinungen mathematisch erfaßt linear dargestellt. Die Projektionslinien bzw. Sehstrahlen sammeln sich in einem Zentrum: dem Auge. Die zwischen Auge und Objekt stehende vertikale Bildebene schneidet die Sehstrahlen und erzeugt dabei das perspektiv. Abbild, das die scheinbare Größenabnahme, Verkürzung und Konvergenz der Linien zeigt, wie es dem räuml. Sehprozeß entspricht. Er erscheint in der Darstellung so, als ob nur ein Auge vorhanden ist.
Den engen Zusammenhang zwischen P. und Proportionslehren hat bes. die Renaissance erörtert, die v.a. Proportionsfragen im perspektivisch gestalteten Raum untersuchte. Der wechselseitigen Erhellung und Wirkung von P. und Proportion wurden bis in die Gegenwart zahlreiche Studien gewidmet. Die Zentralprojektion bietet auch für die Darstellung linearperspektiv. Zusammenhänge in der bild. Kunst die Grundlage, hier erscheint sie als Linearp. Da sie selektiv ist, schließt sie jedoch nicht alle für den Künstler wichtigen Erscheinungen ein, die das Auge als räuml. Tatbestand erfaßt.
Die mit fortschreitender Entfernung durch die Luftschicht erzeugte Unschärfe der sichtbaren Dinge nennt man Luft- oder Verschleierungsp. Der Künstler erfaßt sie, indem er alle Grauwerte mit der Darstellung zunehmender Raumtiefe in ihrer Intensität zurückhält und alle Strichstärken verringert.
Die in gleicher Weise zunehmende Farbveränderung in Richtung der kalten Farben wird von der Farbp. zusammengefaßt ( Raumwirkung der Farben).
Die wichtigsten Elemente für eine einfache linearperspektiv. Konstruktion veranschaulicht das sog. Glastafelverfahren, wobei die vom Gegenstand zum Auge (und umgekehrt) führende Sehstrahlpyramide eine senkrecht zu ihr stehende Bildebene (die Glastafel) schneidet. Die Summe der Schnittpunkte ergibt das im engeren Sinn hier so gen. perspektiv. Bild, zu dessen wesentl. Merkmal die perspektiv. Verkürzung gehört. Es erscheinen alle zur Bildebene parallelen Linien in ihrer tatsächl. Lage, jedoch mit zunehmender Entfernung zur Bildebene wie gesetzmäßig verkleinert (auch im Abstand). Alle Linien des wiederzugebenden Gegenstandes, die direkt oder in ihrer Verlängerung auf die Bildebene stoßen, erscheinen verkürzt. Sie werden als Fluchtlinien bez., da sie als in der Natur untereinander parallele Linien im perspektiv. Bild auf einen gemeinsamen Punkt hinfliehen. Er wird Fluchtpunkt (auch Augenpunkt, Zentrumspunkt) gen. Der Fluchtpunkt einer Linie liegt immer dort, wo der vom Auge ausgehende und zu ihr in der Natur parallele Sehstrahl die Bildebene trifft. Bereits daraus wird erkennbar, daß jede perspektiv. Bildordnung ein Konstruktionsprinzip ist, das Erkenntnis wie Wertung und Ordnung (auch Beherrschung) von Realität (im umfassenden Sinne) dient, also tatsächlich »symbol. Form« ist.
Eine der einfachsten perspektiv. Darstellungen ist die in sog. gerader Ansicht oder Frontalp.; sie ergibt sich, wenn ein rechtwinkliger Körper so zur Bildebene steht, daß seine Tiefenlinien in ihrer Verlängerung rechtwinklig auf die Bildebene stoßen. Im perspektiv. Bild fliehen diese Linien auf den Hauptpunkt zu: Der in diesem Punkt auftreffende, zu den Tiefenlinien parallele Sehstrahl heißt Hauptstrahl oder Sehachse. Es handelt sich dabei gleichzeitig um das vom Auge auf die Bildebene gefällte Lot; deshalb ist der Hauptpunkt auch als Augpunkt, Augenpunkt oder Blickpunkt bekannt. Das Lot vom Auge auf die Grundebene gibt den Standpunkt an. Weitere wichtige Fluchtpunkte sind die der Gegenstandslinien, die parallel zur Grundebene im Winkel von 45° auf die Bildebene treffen (z.B. die Diagonalen eines Quadrates). Je nach dem, ob sie von links oder rechts kommen, fliehen sie im perspektiv. Bild zum linken oder rechten Distanzpunkt, jeweils gleich weit von ihm entfernt. Da der im Distanzpunkt auftreffende Sehstrahl mit der Bildebene gleichfalls einen Winkel von 45° einschließt, ist das Dreieck Auge-Hauptpunkt-Distanzpunkt rechtwinklig-gleichschenklig, und die Entfernung der Distanzpunkte vom Hauptpunkt entspricht jeweils der Distanz des Auges zur Bildebene. Wird die Distanz sehr klein angenommen und dadurch der Distanzpunkt dicht an den Hauptpunkt gerückt, entsteht eine perspektiv. Übersteigerung, das Gegenteil ist bei sehr großer Distanz der Fall.
Für Linien, die im Winkel von 45° auf die Bildebene stoßen und dabei nicht parallel zur Grundebene verlaufen, sondern in einer Ebene liegen, die senkrecht zur Grundebene und rechtwinklig zur Bildebene steht, liegt der Distanzpunkt auf einer Senkrechten durch den Hauptpunkt. Je nach dem, ob diese Linien von schräg oben oder schräg unten auftreffen, fliehen sie im perspektiv. Bild zum oberen oder unteren Distanzpunkt. Entsprechend einer Neigung der Ebene der 45°-Linien zur Grundebene sind außer den 4 gen. Distanzpunkten unzählige andere Distanzpunkte möglich, ihre Summe bildet den Distanzkreis.
In ähnl. Art und Weise entsteht die Horizontlinie, auch Horizont. Auf ihr liegen alle Fluchtpunkte der Linien, die in der Natur parallel zur Grundebene verlaufen und im beliebigen Winkel auf die Bildebene stoßen, eingeschlossen linker und rechter Distanzpunkt und Hauptpunkt (45°-Winkel und rechter Winkel). Die Horizontlinie befindet sich ständig in Augenhöhe, deckt sich aber nur bei weiträumigen ebenen Landschaften oder großen Wasserflächen mit dem Horizont in der Natur. Die Lage der Horizontlinie bestimmt neben der Distanz wesentlich den Charakter des perspektiv. Bildes.
Als günstig hat sich eine leichte Erhöhung des Augenpunktes erwiesen, so wie sie sich bei der Sicht eines Kavaliers zu Pferde ergibt, das erklärt die Bezeichnung Kavalierp. Die Vogelp., auch Vogelschau, entsteht bei einer hohen Lage der Horizontlinien oder des Auges. Da alle Fluchtlinien unterhalb der Horizontlinie ansteigen, erscheinen bei der Vogelp. vorwiegend ansteigende Fluchtlinien. Durch die so entstandene Aufsicht werden die in den Raum führenden Flächen in geringerer perspektiv. Verkürzung abgebildet. Bei normaler Augenhöhe verdeckte Flächen (z.B. Dächer) werden sichtbar. Der Vorteil einer leichten Aufsicht wird bes. von der Kavalierp. genutzt.
Die Entsprechung zur Vogelp. ist die Froschp. bei extrem niedriger Horizontlinie, die Fluchtlinien bilden sich vorwiegend fallend ab, und anstelle der Aufsicht herrscht die Untersicht (ital. sotto in su) vor, d.h. nach unten weisende Flächen (z.B. Dachgesims, Zimmerdecke usw.) sind wenig verkürzt zu sehen.
Im Gegensatz zur Frontalp. gibt es bei der schrägen Ansicht oder Übereckp. im allg. keine Flächen, die parallel zur Bildebene verlaufen. Diese Ansicht tritt häufig auf. Der Betrachter steht so vor dem Objekt, daß er auf eine Ecke bzw. in eine Raumecke hineinblickt. Dadurch können die Kanten der Flächen mit der Bildebene einen beliebigen Winkel erzeugen. Wenn das Objekt ein Würfel oder Quader ist bzw. diesen ähnelt, ergeben sich 2 Fluchtpunkte, die nicht - wie die Distanzpunkte - gleichweit vom Hauptpunkt entfernt sind. Diese Fluchtpunkte der Übereckp. liegen ebenfalls auf dem Horizont, wenn die als Fluchtlinien wiedergegebenen Linien in der Natur parallel zur Grundebene verlaufen.
In Anlehnung an den mathemat. Begriff »Zentralprojektion« gebraucht man häufig anstelle von Linearp. die Bezeichnung Zentralp. Beides charakterisiert 2 Seiten der gleichen Erscheinung, einmal mit Hilfe des Darstellungsmittels (Linie) und zum anderen durch die bes. Form der Darstellung räuml. Erscheinungen. Oft findet man außerdem die nicht exakte Gleichsetzung von Zentralp. und Frontalp.
In früheren Entwicklungsstufen erscheinen verschiedene Stadien undifferenzierter Darstellung von Raum und Körper, die der sog. Parallelp. entsprechen oder ihr ähnlich sind. Bei der Parallelp. liegen die Fluchtpunkte im Unendlichen, so daß anstelle der Fluchtlinien parallele schräge Linien das Räumliche veranschaulichen. Die Parallelp., auch Axonometrie, ist ein räuml. Abbildungsverfahren, das im Gegensatz zur Zweitafelprojektion anschaul. und zugleich maßstabgerechte Bilder liefert. Man unterscheidet normale und schiefe Axonometrie. Beiden liegt ein räuml. Achsenkreuz zugrunde, das sich zweckmäßig mit den Hauptrichtungen des Objektes deckt.
Bei der Normalaxonometrie sind im Gegensatz zur Schrägaxonometrie das Bild des Achsenkreuzes und die Verkürzungen nicht frei wählbar, dafür entsteht ein überzeugenderes Abbild, bes. von Körpern mit gekrümmter Oberfläche.
Die Schief- oder Schrägaxonometrie, bekannt als Militärp. und Kavalierp., liefert frontalaxonometr. Bilder. Bei der Kavalierp. bleibt der Aufriß unverändert, während die Tiefenlinien in beliebigem Winkel und in beliebiger Verkürzung eingezeichnet werden. Die Militärp. geht vom unveränderten Grundriß aus, wobei die Höhen beliebige Richtung und Verkürzungen erfahren. Letzteres Verfahren wird im Städtebau bei Lageplänen gern verwendet.
Die Isometrie ist ein Spezialfall der Normal- wie auch der Schrägaxonometrie. Sie ist durch Gleichheit der Streckenverhältnisse und bei Normalaxonometrie auch der Achsenwinkel (120°) gekennzeichnet. Ihre zwar einfache Konstruktion liefert aber nur bedingt richtig wirkende Bilder.
Bei der Konstruktion eines zentralperspektiv. Bildes gibt es hauptsächlich 2 Methoden. Die Konstruktion aus Grund- und Aufriß bevorzugt der Architekt, der sich z.B. nach der Konstruktion eines Bauwerkes über die Wirkung des Baukörpers unter unseren konkreten Sehbedingungen Klarheit verschaffen möchte. Diese Konstruktion ist für die Tätigkeit des Malers und Graphikers unpraktisch; für ihn sind v.a. die Konstruktionsmethoden mit Hilfe des Distanzpunktes und des anderen Fluchtpunktes ohne Grundriß von Wichtigkeit, hierfür wurde der Begriff maler. P. geprägt.
Bei Beachtung von Licht und Schatten treten in einer perspektiv. Wiedergabe Formen auf, die von der Beleuchtungsp. näher erklärt werden. Diese erfaßt v.a. die bei bestimmter Beleuchtung von einem Gegenstand hervorgerufene Form des Schlagschattens und des Eigenschattens der Gegenstände. Im weiteren Sinne umschließt sie auch die Luft- und Farbp., da die mit zunehmender Raumtiefe eintretende Veränderung der Farb- und Helldunkelwerte von der veränderten Menge des reflektierten Lichtes abhängt.
Die bild. Kunst kennt Inhalte, die - v.a. in Verbindung mit der Architektur - in überlebensgroßen bildl. oder plast. Darstellungen zum Ausdruck gebracht werden. Hierbei wird die sog. Anamorphose (griech. »Umgestaltung«) in Anwendung gebracht. Sie ist eine absichtliche, der P. entgegenwirkende Verzerrung (unter Umständen verkehrte P.), um für den niedrig-stehenden Betrachter den Eindruck von normalen sich entsprechenden Größenverhältnissen zu erwecken. Die Anamorphose zeigt, daß die P. ein Hilfsmittel des Künstlers ist. In extremen Fällen sind dabei spieler. Abwandlungen der P. möglich, die von einer Relativierung derselben zeugen bzw. die Möglichkeit ergeben, z.B. durch derartige Betonung von Hand und Antlitz ein Selbstverständnis eines Künstlers herauszustellen (vgl. Parmigianinos Selbstbildnis).
Es gibt Epochen, die unvergleichl. Kunstwerke schufen, ohne die P. (im »klass.« Sinn der Zentralp.) zu kennen. Das trifft u.a. für die ägypt. Kunst zu, die seit Anbeginn in der Malerei und z.T. auch Reliefkunst eine eigene Darstellungsweise entwickelte, so in der Prägung des geradansichtig-vorstelligen Reliefstils (kennzeichnenderweise wurden Sklaven in der unedlen, nicht profilbetonten Haltung der Brust dargestellt), hier und in der Malerei dominieren ferner Übereinanderstaffelung, Aufsicht, additive Reihung und vereinzelte perspektiv. Elemente, oft alles miteinander verbunden und der Bedeutungsp. unterworfen.
Zweifellos setzt die Beachtung der P. in der Kunst ein je spezif. wechselseitiges und rationales wie emotionales Verhältnis von Kunst und Wissenschaft voraus, letztere muß einen bestimmten Stand erreicht haben, um die Linearp. bevorzugt zur Geltung gelangen zu lassen. Auch die jeweilige Gesellschaftsordnung, der Charakter und Grad ihres Wirklichkeitsbezuges und dessen ästhet. Wertung können eine Rolle für das Verhältnis zur P. spielen.
Hauptsächlich in zweierlei Hinsicht wird die P. im obengen. Sinne relativiert bzw. negiert, wobei eine Fülle von Zwischen- und Mischformen auftritt.
Die erste ist die Bedeutungsp., bei der die menschl. Figuren nicht unter Berücksichtigung der perspektiv. Verkleinerung erfaßt sind, sondern ihre Größe nach der inhaltl. Bedeutung geordnet ist. Beispiele finden sich in der mittelalterl. Kunst und Antike, in letzterer u.a. wenn es galt, den Herren gegenüber den Untergebenen oder Sklaven hervorzuheben (vgl. die konstantin. Reliefs des Konstantinsbogens, Rom, 312-315).
Die zweite ist die umgekehrte P., die in Entwicklungsstufen erscheint, auf denen man das perspektiv. und rationale Erfassen und Ordnen räuml. Zusammenhänge noch nicht für die Verdeutlichung des Inhaltes anwandte und, z.B. im frühen MA, Anklänge dazu in einer undifferenzierten Form der Aussageabsicht dienstbar machte bzw. aus inhaltl. Gründen einer prinzipiellen Formvorstellung die P. ablehnte. Dabei tauchen manchmal nach dem Bildvordergrund hin konvergierende »Fluchtlinien« auf, um eine räuml. Beziehung zu dort befindlichen, inhaltlich bedeutungsloseren Objekten herzustellen (seit der Renaissance wird dies als Umkehrung der P. empfunden). Die Legitimität dieser u.a. Verfahren ist auch in der illusionist. Kunst der Neuzeit mehrfach erwiesen worden, so wie auch Leonardos Hinweis, daß die P. kein Dogma, sondern ein »Kompaß« sei.
Geschichtliches:
Aus den Elementen des Euklid geht hervor, daß den Griechen zu dieser Zeit (um 300 v.u.Z.) perspektiv. Erscheinungen als geometr. Problem bekannt waren; man kannte anscheinend aber noch nicht die gesetzmäßige Konstruktion der Linearp. Über die Anwendung der Gesetze in der Wandmalerei gibt es keinen Beweis. Einzig aus der Vasenmalerei und der späteren röm. Wandmalerei sind Rückschlüsse auf die Monumentalmalerei möglich. Nach Berichten von Aristoteles und Vitruv wurde für Theateraufführungen Architektur auf das Proskenion gemalt und zwar so, wie sie dem Auge erschien. Die sog. Skenographie stellte möglicherweise die Anwendung perspektiv. Gesetze dar. Überlieferte Andeutungen finden sich auf plast. Gebiet im Fries des Nereidenmonuments von Xanthos. Daß man einfache Verkürzungen darzustellen wußte, beweist die Vasenmalerei bei der Darstellung in den Raum zeigender Gliedmaßen und Gegenstände (Waffen).
Aus der röm. Antike sind perspektiv. Darstellungen durch die Fresken von Pompeji (bes. des 2. pompejan. Stils) überliefert. Hier werden z.B. Kanten paralleler Architekturteile konvergierend dargestellt, die Kenntnis des Hauptpunktes liegt jedoch nicht zugrunde. Mit dem Verfall der röm. Kultur brach die Weiterentwicklung dieser Art der Raumdarstellung vorerst ab.
Spätantike und frühchristl. Kunst sind von einer unaufhörlichen, wenn auch mehrfach durchkreuzten Reduktion der P. gekennzeichnet, die schließlich in die mittelalterl. Bildvorstellung mündet. Die mittelalterl. Kunst in ihrer klass. Ausprägung ist auf die Fläche als Spannungsfeld orientiert. Raum- oder Umweltandeutungen sind lediglich Beiwerk, Bedeutungsp. und umgekehrte P. werden vorherrschend. Die sich auf der Basis der Feudalordnung entwickelnde Kunst der nördl. Völker verzichtete weithin darauf, das räuml. Sehen der antiken Maler zu übernehmen; Ansätze in der karoling. Kunst sind Teil der gewollten Antikenrezeption. Bestimmend war eine ideale Figurenordnung, die symbolisch den Sinn der Darstellung bot. Bedeutungsp. war daher häufig, Raum erscheint abbreviaturhaft durch architekton. u.a. Elemente angedeutet bzw. durch die Symbolik des Goldgrundes bez.
Die in der byz. Kunst vorhandenen perspektiv. Elemente (z.B. in Manuskripten der sog. »makedon. Renaissance«) sind eher traditionalist. Natur (Vorlagekopien) als vorwärtsweisend; ihr Wert liegt in der Bewahrung. Im Gefolge der gen. theoret. Untersuchung der P. im 13. Jh. erscheint sie in der Malerei erstmals konsequent gehandhabt in den Fresken der Oberkirche von S. Francesco in Assisi (bes. im Werk Giottos), mit weitreichenden Folgen nicht nur in der ital. Kunst des 14./15. Jh. und darüber hinaus ( Illusionismus): sowohl als Mittel der Konstruktion eines neuen Bild- und auch Wirklichkeitsverständnisses, als Mittel der Ordnung des »Realen« im Bild einschließlich der Anerkennung des optisch-sinnl. Erlebnisses, der Erfahrung, als Mittel der Demonstration (von Beziehungen, Moral, religiösen u.a. Vorstellungen), auch als Mittel, die Sinne zu täuschen.
Der Siegeszug der P. in der Renaissance ermöglichte ein relativ unkompliziertes Nachvollziehen des opt. Eindrucks durch andere, allerdings auch unter Verzicht auf bisherige Erfahrungen, z.B. der Bedeutungsperspektive. In Italien setzte diese Entwicklung früher als in den nordeurop. Ländern ein: Giotto schuf einen geschlossenen Bildraum, der zugleich gleichmäßiger Tiefenraum wurde. In seiner Nachfolge im 14. Jh. wurden Tiefenlinien wieder als zusammenlaufende Geraden dargestellt. Gegen E. des Jh. legt man - noch für einzelne Horizontalebenen getrennt - Fluchtpunkte fest. Das geschah noch ohne ausgewiesene mathematisch-wissenschaftl. Kenntnisse; Konstruktionen (z.B. perspektivisch verkürzte Flächen) waren Erfahrungsergebnisse, die als Handwerksregeln weitergegeben wurden.
Ausgehend von Italien, drangen die neuen Bildvorstellungen auch nördl. der Alpen vor, sie bewirkten zunächst eine dinglich angereicherte Bildwelt, Anwendung einzelner perspektiv. Verfahren und eine immer mehr zunehmende Sicherheit (vgl. die Entwicklung in der franko- fläm. Buchmalerei als Grundlage der Neuerungen J. van Eycks).
Nach einem Bericht von G. Vasari gilt der Architekt F. Brunelleschi als Erfinder der mathematisch exakten perspektiv. Konstruktionen, indem er Grund- und Aufriß zur Gewinnung eines perspektiv. Bildes verwendet haben soll (vermutlich als Übereckansicht und auf beiden erwähnten Tafeln wohl mit mindestens 2 Konvergenzpunkten). Unmittelbar von dessen Untersuchungen angeregt, sind die reifen Wandmalereien Masaccios um 1425 (»Dreifaltigkeit«, Fresko, Florenz, Sta. Maria Novella, 1427; Florenz, Brancacci-Kapelle, Sta. Maria del Carmine) und einige Reliefs Donatellos (»Herodesmahl«, Siena, S. Giovanni, 1426). In ihrer Nachfolge stehen die Arbeiten von A. del Castagno und der »Problematiker« P. Uccello und P. della Francesca.
Die ersten überlieferten Zeichnungen dieser Art sind von L. B. Alberti im Zusammenhang mit den Arbeiten für seine »Drei Bücher über die Malerei«, 1436. Er konstruierte (noch ohne Distanzpunkt) eine perspektivisch richtige Verkürzung gleichgroßer zur Grundebene paralleler Quadrate und erfand das Quadratnetzverfahren. Hierbei ermöglicht ein mit Fadennetz versehener Rahmen das Übertragen der beim Durchblicken erfaßten räuml. Situation auf ein Zeichenblatt mit verhältnisgleichem Liniennetz. Nicht minder aufschlußreich ist die Bedeutung, die Alberti dem Zentrumspunkt und dem Zentrumsstrahl beimaß, der offensichtlich als einziger der Sehstrahlen ins Unendliche führt. Er vermittelt »zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen, dem sinnl. Erfahrbaren und dem Intelligiblen« (A. Perrig).
Eines der ersten Lehrbücher der P. verfaßte der umbrische Maler Piero della Francesca (1482 geschrieben), der in Urbino im Umkreis einer Gruppe gleichgesinnter Maler und Architekten (F. di Giorgio Martini u.a.) um die Durchdringung von Kunst und Wissenschaft rang.
Die Erkenntnis wesentl. neuer Elemente für die Entwicklung der P. blieb Leonardo da Vinci vorbehalten, er hat die Gesetzmäßigkeiten und Begrenzungen der Zentralp. am umfassendsten untersucht. Von ihm wurde v.a. die Bedeutung des Hauptpunktes und die Rolle des Auges bei der perspektiv. Konstruktion adäquat erfaßt, indem er sie als Spitze zweier entgegengesetzter Strahlenpyramiden erkannte. Er empfahl das Glastafelverfahren für die einfachste Ableitung eines perspektiv. Bildes und begründete Linear-, Verschleierungs- (Luft-) und Farbp.
Daneben zählt in dieser Zeit zu den bedeutendsten theoret. Abhandlungen über die P. das Werk »De artificiali perspectiva« von J. Pèlerin, gen. Viator (1445-1524).
In Deutschland zeigt das Werk von M. Pacher die Kenntnis perspektiv. Konstruktionen, v.a. aber hat sich A. Dürer damit auch theoretisch im Drang nach Wahrheit und Kunstgesetzlichkeit beschäftigt, wobei Untersuchungen nachgewiesen haben, daß Dürer erst nach seiner 2. Italienreise zu genaueren Konstruktionen fähig war (vgl. »Hieronymus im Gehäuse«, 1514) und seine »Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheydt« neben wertvollen Hinweisen auch z.T. »Fehler« und umständl. Konstruktionen enthält. Im »Marienleben« v.a. hat er eine Vielzahl perspektiv. Konstruktionen eindrucksvoll mit dem Szenischen verbunden.
Im N hat nach den Vorstufen der franko-fläm. Buchmalerei (Brüder von Limburg; Meister des Stundenbuches des Maréchal de Boucicaut; u.a.) J. van Eyck maßgeblich die perspektiv. Innen- und Außenraumdarstellung gefördert, wobei er gleich anderen die P. symbolisch nutzte bzw. mit der Bedeutungsp. verknüpfte (»Die Madonna als Kirche«, Berlin, Staatl. Mus., Preuß. Kulturbesitz, Gem. Gal.).
Die Handhabung der P. in der altniederländ. und der von ihr beeinflußten dt. und franz. Kunst des 15. Jh. ist im Vergleich mit Italien weitaus empirischer, spontaner, damit uneinheitlicher, bedeutungsbetonter. Während die Meister der ital. Frührenaissance spontan jede Möglichkeit einer perspektiv. Darstellung wahrnahmen (vgl. die folgenreiche Neuentdeckung der Untersicht bei A. Mantegna; Quadraturmalerei), verstand es die Hochrenaissance, aus P. und ruhig-flächenmäßigem Bildaufbau ein bezeichnendes ideal. Gleichgewicht zu gewinnen. In der Hochrenaissance werden erstmalig die Grenzen zwischen perspektiv. Malerei und wissenschaftlich- mathemat. Konstruktion erkannt. So ist es zu erklären, daß hier die P. in ihren wichtigsten Zügen entdeckt und umfassend begründet wird, jedoch die wenigsten Maler auf vollkommen exakte Konstruktion achteten. Die Zentralp. ist nicht das ewige Kunstgesetz. Sie wurde entwickelt in einer Phase, für die die Durchdringung von Kunst und Wissenschaft notwendige Bedingung der Entfaltung beider auf der Grundlage der Einheit von Theorie und Praxis, von Erkenntnis der Mannigfaltigkeit der Wirklichkeit, von Kunstgesetzlichkeiten und nicht zuletzt im Interesse des Beherrschens der Welt und seiner selbst war. Diese Einheit und mit ihr auch die Zentralp. war eine wesentl. Grundlage der gestalter. Synthese der Hochrenaissance. Die Krise ihrer utop. Grundlagen mußte daher sofort die Relativierung des (mitunter auch dogmat.) perspektiv. Denkens nach sich ziehen (vgl. die Entwicklung im Manierismus zum Virtuosentum und Formenspiel bei gleichzeitigem Symbolisieren; neue Mannigfaltigkeit und Expressivität der perspektiv. Ordnungen).
Im Barock wurde die P. mit großer Vollendung beherrscht und zu oft überraschenden Wirkungen der illusionist. Deckenmalerei (auch Illusionismus) gesteigert, zugleich aber wurden neben kühnen Verkürzungen u.a. der Architekturmalerei Luftp., räuml. Farben- und Hell-Dunkel-Werte mit bis dahin ungekannter Intensität einbezogen. Das barocke Verhalten zur P. hat Doppelcharakter: Es ist extrem exakt (z.B. Anlage von Städten; Entwicklung der Kartographie, der Vedute) und malerisch-illusionistisch. Doch nutzte auch erstere die Tiefenlinien. In bisher nicht erreichter Form meisterte z.B. Rembrandt die Luftp. Canaletto entwickelte perspektivisch großartige Stadtansichten. Aufschlußreich sind die perspektiv. Arbeiten niederländ. Künstler (bis hin zu illusionist. Täuschungen, Trompe-l'oeil). Ebenfalls Meisterleistungen perspektiv. Konstruktion und Phantasie sind die Bühnenbildentwürfe von Mitgliedern der Maler- und Architektenfamilie Galli-Bibiena.
Andererseits hat gerade die sensualist. Orientierung der Barockkunst vornehmlich in den malerisch bestimmten Richtungen den Eigenwert perspektiv. Konstruktionen zurückgedrängt; im 19. Jh. hat bes. der Impressionismus mit seiner Begeisterung für die momenthafte farbige Erscheinung diese Auffassung weitergeführt.
Die nachimpressionist. Verfestigung des Bildes und Formenerklärung ging einher mit wachsender Ablehnung der seit der Renaissance übl. Raumdarstellung im linearperspektivisch angelegten Bild. P. Cézannes Bildaufbau aus der modulierten Farbe, die Flächigkeit P. Gauguins und des Jugendstils, die Zersplitterung und räuml. Unruhe des Expressionismus, die formale Durchdringung mehrerer Ansichten des Gegenstandes im Kubismus, die futurist. symbol. Positionierung des Betrachters inmitten des Bildes, die Scheinperspektivität des Surrealismus und verwandter Richtungen waren einige Stationen auf dem widersprüchl. Weg der avantgardist. Ablösung der Renaissance-P. als einer Möglichkeit, Diesseitigkeit herauszustellen.
Hervorzuheben sind dabei gewonnene neue Erfahrungen der Bedeutungsp., der Vielfalt der Ansichtsmöglichkeiten, expressiver und dekorativer Steigerung und Deutung von Raumstrukturen, des spannungs- und bedeutungsvollen Verhältnisses Raum- Fläche-Körper. Diese neuen Möglichkeiten können der tieferen Sicht der Wirklichkeit dienen, indem sie u.a. den Zeitfaktor in das Raumbild einbezogen. Allerdings haben auch die neue Dynamik des Lebens, die Bedingungen der Großstadt, der modernen Industrie und des Verkehrs neben neuen mathemat. Erkenntnissen (nichteuklid. Geometrie) die euklid. Geometrie und alle auf ihr beruhenden Verfahren als Sonderfall umfassenderer Systeme erwiesen (z.B. entwickelte K. Petrov-Vodkin im Zusammenhang mit seiner künstler. Praxis eine Theorie vom sphär. Bildraum). Diese umwälzende Kunstpraxis selbst hat durch die schöpfer. Neuaufnahme flächenbetonter Elemente, der Bedeutungsp. u.a. Verfahren (z.B. der Montage) und durch die vielfältige Verbindung unterschiedlichster Möglichkeiten gemäß den jeweiligen künstler. Zielen den historisch entstandenen visuell-ästhet. Reichtum »aufgehoben«. Zu den Erweiterungen neuester Zeit gehören u.a. photorealist. Wirkungen.
[Lexikon der Kunst: Perspektive, S. 17 ff.Digitale Bibliothek Band 43: Lexikon der Kunst, S. 25297 (vgl. LdK Bd. 5, S. 523 ff.) (c) E. A. Seemann]